Was sind eigentlich Rabbiner?
Aufgabe und Stellung des Rabbiners in der heutigen Zeit sind nur vorstellbar, wenn man das Entstehen dieses Amtes und den historischen Ablauf nicht berücksichtigt.
Der Begriff „Rabbi“ entstand nicht als Amtsbezeichnung. Er entstand, als noch der Tempeldienst Mittelpunkt des jüdischen Lebens war. Damals fungierten neben den Priestern (Cohen) unabhängige Männer, die das Gesetz der Tora zum Gesetz des Lebens in allen seinen Varianten auszugestalten hatten. Ihre Funktion umfasste die Gesetzgebung und die Rechtsprechung, aber sie waren auch die Lehrer des Volkes. Sollte ein Rabbi zum Richter ernannt werden, erfolgte seine Ernennung durch das große Sanhedrin in Jerusalem. Diese Rabbinen trugen den Titel „Smichah“, d.h. Stütze. Noch heute spricht man von der „Smichah“, wenn ein Rabbiner seine Ausbildung abgeschlossen hat und ins Berufsleben tritt.
Das Amt war nicht mit einer Besoldung versehen, der Rabbi musste seinen Lebensunterhalt anderweitig verdienen, oftmals als Prediger. Der Titel Smichah wurde abgelöst, als die babylonischen Lehrhäuser entstanden und der Titel „Raw“, d.h. Lehrer oder Herr, wurde als Amtsbezeichnung in die Länder der Diaspora weitergetragen. Der Inhalt des Amtes veränderte sich nicht, Richter und Lehrer der Tora zu sein drückte dieser Titel aus. Auch die Einsetzung des Rabbiners erfolgte nicht mehr durch eine zentrale Stelle, sondern durch die Gemeinden selbst. Meir Ben Baruch, Rabbiner im Wien des 14. Jahrhunderts, der als Weiser verehrt wurde, ordnete an, dass niemand den Titel Rabbiner tragen dürfe, der nicht von einer anderen rabbinischen Autorität dazu bevollmächtigt wurde. Nach einigen Auseinandersetzungen setzte sich Ben Baruchs Vorschlag durch. Er hat verhindert, dass Scharlatane oder Unfähige sich diesen Titel aneignen konnten. Diese Anordnung hat bis heute Bestand.
Die Fülle der Aufgaben, die das rabbinische Amt mit sich brachte, machten es jedoch bald unmöglich, noch einer regulären Berufstätigkeit nachzugehen. Seit dem Mittelalter sind die Rabbiner vor allem in der Diaspora eingebettet in eine festere Gemeindestruktur mit geregeltem Aufgabengebiet. Zu den Tätigkeiten gehörte nicht nur die Regelung des religiösen Gemeindelebens, der Schulunterricht, die Wohlfahrt, sondern auch die Beziehungen der Gemeindemitglieder untereinander. Obwohl die Rabbiner innerhalb der Gemeinschaft Lehrer, Prediger und moralische Instanz waren, wurden sie jedoch zuallererst als Richter empfunden.
Mit dem Ende des 18. Jahrhunderts änderte sich dieses Bild jedoch völlig. Die Juden wuchsen in die Kulturen ihrer Heimatländer hinein und als Erstes wurde die völlige Unterstellung unter das jüdische Recht aufgegeben. Der Rabbiner blieb Richter, aber beschränkt auf das jüdische Religionsgesetz und Angelegenheiten der jüdischen Gemeinschaft
Heute gibt es eine geregelte Ausbildung an Hochschulen und die jeweiligen jüdischen Strömungen bilden ihre eigenen Kandidaten akademisch aus. Z.B. in Potsdam, das Abraham Geiger Kolleg. Auch heute noch ist das Rabbineramt von dem Religionsgesetz bestimmt. Die vielen Veränderungen des Alltags und des Lebens an sich machen neue Entscheidungen in der jüdischen Rechtsprechung nötig
Unter Seelsorge versteht man im Judentum, dem Menschen zu helfen – zu helfen, um mit dem Leben fertig zu werden, Menschen in das Judentum einzubinden und die Gemeinschaft zu stärken und zusammenzuhalten. Diese „Seelsorge“ sorgt dafür, dass der Rabbiner an den sozialen Aufgaben und Fragen der jüdischen Gemeinschaft mitwirkt.
Der Rabbiner hat Trauungen und Beerdigungen vorzunehmen, seine Rolle ist anders als die eines Geistlichen einer christlichen Kirche. Er teilt kein Sakrament aus, bei Beerdigungen ist er Trostspender und Stütze der Trauernden.
Der Rabbiner als Lehrer deutet die Bibel, deutet das Gesetz. Der Rabbiner kennt die Quellen und Texte, seine „Predigt“, „Rede“ auch während des G’ttesdienstes sind Unterricht für die Gemeinschaft.
Ein Rabbiner wird von der Gemeinde eingestellt und erhält üblicherweise einen Zeitvertrag. Keine Zentralstelle kann einen Rabbiner einer Gemeinde aufzwingen, es gibt auch keine vorgesetzte religiöse Behörde. Die weltliche Gemeindeführung liegt immer in den Händen des Vorstands und seiner Gremien. Der Rabbiner ist Angestellter der Gemeinde und aufgrund seiner Autorität der religiöse Kopf der Gemeinde. Eines kann er allerdings nicht, er kann nicht verhindern, dass eine Gemeinde ihre religiöse Ausrichtung ändert. In diesem Fall kann er nur seine Autorität einbringen, um das zu verhindern.
Im Idealfall wird die Arbeit des Rabbiners von der weltlichen Vertretung getragen und unterstützt.
Frauen sind heute in den konservativen, liberalen und reformierten Strömungen auch als Rabbinerin tätig. Auch hier gilt, keine Gemeinde ist verpflichtet eine Rabbinerin einzustellen.
©Gabriele Wasser, Leah Rauhut Brungs 2006
Unter den Rabbinern, die in unserer Region amtierten, waren einige bedeutende und interessante Persönlichkeiten. Einige werden wir hier vorstellen.
Zu den frühesten Rabbiner der Region gehört Rabbi Joel ben Isaak HaLevi, Rabbi Joel von Bonn. Er lebte 1115-1200. Seine religiösen Dichtungen sowie seine Aufzeichnungen zu Ereignissen der Zeit sind bis heute erhalten.
Rabbiner Juda Mehler II lebte von 1660 -1751. Er galt als einer der größten Gelehrten seiner Zeit. Sein Grab befindet sich auf dem alten jüdischen Friedhof in Bonn -Schwarzrheindorf.
Dr. Rudolf Seligsohn war der letzte Rabbiner von Bonn, bevor der Nationalsozialismus die Gemeinde auslöschte. Ihm kommt der große Verdienst zu, dass er ahnend, was geschehen würde, eine Torarolle der Gemeinde und das unersetzliche Memorbuch mit auf seine Flucht nach England nahm. Es befindet sich in der British Library. Seine Biografie zeigt auch sein großes Engagement für die Rettung jüdischer Schüler.